Biologische Sicherheit
von Yanna Guo und Bianca Liebscher
Fifty years from now, synthetic biology will be as pervasive and transformative as is electronics today. And as with that technology, the applications and impacts are impossible to predict in the field's nascent stages. Nevertheless, the decisions we make now will have enormous impact on the shape of this future. [Ilulissat Statement, 2007]
Die synthetische Biologie eröffnet der Wissenschaft und der Industrie neue Möglichkeiten zur besseren und umweltschonenderen Herstellung von zum Beispiel Biokraftstoffen, verschiedene Chemikalien, landwirtschaftlichen Produkten und Fortschritte in der Medizin hinsichtlich Medikamenten-Herstellung.
Doch durch die Möglichkeit Organismen nach Wunsch verändern oder sogar neue Genome synthetisieren zu können um damit neue Anwendungsmöglichkeiten biologischer Systeme zu erstmals breites öffentliches Interesse an der synthetischen Biologie hervorbrachte war das künstlich hergestellte Genom von Mycoplasma genitalium. Dieses wurde anschließend in das Bakterium Mycoplasma capricolum übertragen [Gent & Roth, 2011]. Das Ergebnis war ein sich reproduzierender, lebender Organismus. Die Folge solcher Experimente gingen kontroverse Diskussionen in Fachkreisen, der Öffentlichkeit und der Regierung hervor. Das wichtigste Thema hierbei ist die biologische Sicherheit [Pühler & Müller-Röber, 2009].
Risiken an Beispielen
Um zu verdeutlichen, zu was die synthetische Biologie verwendet werden kann und welche Gefahren sich daraus ergeben werden einige typische Beispiele kurz skizziert:
- Die Forscher Jackson und Nowak forschten 2001 an Mäusepocken-Viren [Jackson et al, 2001; Nowak, 2001]. Sie wollten eine Möglichkeit finden, die viel zu großen Mäusepopulationen in Australien zu reduzieren und die dadurch verursachten Schäden zu minimieren. Sie schleusten das Interleukin-4 Gen in das Pocken-Virus ein. Nach Ihrer Theorie sollten Mäuse in Folge einer Infektion unfruchtbar werden. Das Resultat war jedoch eine gesteigerte Virulenz, die dazu führte, dass auch geimpfte Mäuse an dem Virus starben [Selgelid & Weir, 2010].
- Durch öffentlich zugängliche Sequenzdatenbanken und DNA-Synthese Technologien könnten tödliche Viren wie das Poliovirus einfach hergestellt werden. Die Zeitschrift "The Guardian" bestellte im Jahr 2006 bei einer DNA-Synthese Firma, einen leicht modifizierten Sequenzausschnitt des Pocken-Virus. Dieser wurde auch geliefert und hätte weiter verwendet werden können [URL-3].
- Ebenso konnten Forscher einen im Jahr 2002 ein völlig künstliches Poliovirus und im Jahr 2005 ein Grippevirus erzeugen [URL-3].
Diese Beispiele zeigen, dass die synthetische Biologie unter anderem einen Risikofaktor in Bezug auf den Bioterroismus darstellt. Dabei könnte die kostengünstige Synthese pathogener Organismen eine große Rolle spielen. Als die Atomkraft entdeckt wurde, prägte sich der Begriff des DualUse der sich sowohl auf die Gentechnik als auch jetzt auf die synthetische Biologie beziehen lässt: Eine neue Technik kann auf der einen Seite für die Herstellung lebensrettender Medikamente dienen und auf der anderen Seite ermöglicht es Terroristen neue Biowaffen zu entwickeln.
Die biologische Sicherheit allgemein
Um mögliche Risiken und Gefahren abschätzen zu können, benötigt man eine genaue Definition der synthetischen Biologie. Häufig wird die Formulierung des MIT zitiert: "[Synthetische Biologie ist] Design und Konstruktion von neuen biologischen Bauteilen, Apparaten und Systemen sowie das Re-Design von bereits vorhandenen natürlichen biologischen Systemen für nützliche Zwecke." [URL-5].
Der Begriff biologische Sicherheit umfasst dabei mehr als nur die Sicherheit im Labor. Im englischen Sprachgebrauch ist es üblich zwischen Biosafety und Biosecurity zu unterscheiden. Im Folgenden werden diese Begriffe zur Verdeutlichung beibehalten. Im Allgemeinen befürchtet man durch die gewollte/ungewollte Freisetzung synthetischer Organismen negative Auswirkungen für die Gesundheit und Umwelt. Da es sich um lebende Systeme handelt, sind Sie in der Lage sich selbst zu organisieren und zu replizieren.
Es gab in den letzten Jahren immer wieder internationale Konferenzen die über die Sicherheitsfragen der synthetischen Biologie diskutieren. In Deutschland wurde im Jahr 2009 von der "Deutschen Akademie der Technikwissenschaften" (acatech), der "Deutschen Forschungsgemeinschaft" (DFG) und der "Nationalen Akademie der Wissenschaften" (Leopoldina), eine Stellungnahme zur synthetischen Biologie verfasst in der alle wichtigen Aspekte diskutiert werden.
Biosafety
Der Begriff Biosafety umfasst alle Sicherheitsthemen die sich mit der unbeabsichtigten bzw. Irrtümlicher Freisetzung von Krankheitserregern und Toxinen. Dies schließt unter anderem auch den Schutz der Wissenschaftler die im Labor mit den Stoffen der synthetischen Biologie in Berührung kommen ein [Pühler & Müller-Röber, 2009]. Als mögliche Risikoquellen im Labor sind laut WHO vor allem ungeschultes Personal (hinsichtlich der Gefahren der synthetischen Biologie), deren Kompetenz oder auch einfach durch den Menschen verursachte Fehler zu nennen [WHO, 2010]. Weiterhin ist zu nennen, dass das Verhalten synthetisch hergestellter Genkonstrukte nicht genau vorhergesagt werden kann [Gent & Roth, 2011].
Maßnahmen die dazu führen diese Risiken zu verringern sind größtenteils schon durch die vorhandenen Gesetze und Verordnungen die durch die Gentechnik eingerichtet wurden gegeben. Dabei handelt es sich unter anderem um Infektionsschutz-, Gentechnik-, Chemikalien-, Arbeitsschutz- und Arzneimittelgesetz sowie die Biostoffverordnung, GenTSV, GenTAufzV und GenTNotfV. [DIB, weiterführende Literatur] International beschäftigt hat das Europäische Komitee für Normung ein CEN Workshop Agreement (CWA) ausgearbeitet in der ein Standard zum Biorisiko Management festgelegt wurde [Kämpfer & Beck, 2010].
Zum Beispiel werden die Laboratorien in Sicherheitsstufen eingeteilt. Je nach Pathogenität oder Toxizität der verwendeten Organismen und Stoffen gibt es die risikobezogenen Stufen 1 -4. In einem Hochsicherheitslabor der Stufe 4 darf nur in Schutzanzügen und separater Sauerstoffzufuhr gearbeitet werden [WHO, 2010].
Biosecurity
Die andere Seite der biologischen Sicherheit ist der Schutz der Bevölkerung vor terroristischen Aktivitäten und vor Diebstahl, Missbrauch oder der absichtlichen Freisetzung von (gefährlichen bzw. pathogenen) Organismen [Pühler & Müller-Röber, 2009]. Wie auch bei der Biosafety existieren ebenfalls Gesetze und Verordnungen die Wahrscheinlichkeit eines Missbrauchs verhindern sollen. Dazu zählen in Deutschland vor allem das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen und das Außenwirtschaftsgesetz. Ebenso gibt es verschiedene Projekte die sich mit dem Thema Biosecurity auseinandersetzen. Dazu zählt zum Beispiel SynBioSafe [Gent & Roth, 2011; URL-6]. Weitere Aspekte des Biosecurity sind im nächsten Abschnitt aufgeführt.
Synthetische Biologie und das WWW
Wie schon in den einleitenden Beispielen gezeigt, spielt das Internet bei der synthetischen Biologie ebenfalls eine wichtige Rolle. Durch das Ziel Genome in vitro zu synthetisieren und neue Organismen zu schaffen, die so in der Umwelt nicht vorkommen spielen die öffentlichen zugänglichen Sequenzdatenbanken und Gen-Synthese-Firmen, die den kommerziellen Erwerb von DNA-Sequenzen ermöglichen, eine wichtige Rolle. Diese werden in Deutschland jedoch durch die schon genannten Gesetze weitgehend geregelt. Es existieren zusätzlich noch freiwillige Verpflichtungen der Firmen wie zum Beispiel Adressen der Kunden und die eingereichten Aufträge hinsichtlich Seriosität und Pathogenität der Sequenzen zu überprüfen (siehe Schema). Besteht ein potenzielles Risiko wird der Auftrag abgelehnt [Gent & Roth, 2011].

Auch der bei Studenten der Naturwissenschaften ist der so genannte iGem (international genetically engineered machine competition) Wettbewerb sehr beliebt [URL-4]. Dabei werden so genannte BioBricks konstruiert und zu neuen Kombinationen zusammengesetzt, um zum Beispiel zur Arsendetektion genutzt zu werden (siehe auch genetische Schaltkreise) [URL-1]. Auch hier werden die Sicherheitsaspekte berücksichtigt [URL-2].
Erhöhung der Sicherheit durch synthetische Biologie
Jedoch schafft die synthetische Biologie nicht nur Risiken sondern kann auch dazu beitragen diese zu minimieren. So ist es zum Beispiel wie in der Gentechnik möglich spezielle Vektor-Empfänger-Systeme zu entwickeln die von bestimmten Stoffen die nicht in der Natur vorkommen abhängig sind (auxotrophe Organismen), eine begrenzte Lebensdauer haben und nicht mit ihren Wildtyp wechselwirken (siehe orthogonale Systeme) können [Gent & Roth, 2011].
Die Möglichkeit neue DNA-Strukturen zu verwenden erhöht ebenfalls die Sicherheit in dem Sinne, dass diese nicht mit den bestehenden biologischen Prozessen wechselwirken können [DIB]. Der freie Zugang zu biologischen Daten hat auch in der Öffentlichkeit zu regem Interesse an der synthetischen Biologie geführt. So sind die Begriffe Do-It-Yourself-Biology, BioHacker und Garagenbiologie entstanden. Sie haben gemeinsam, dass "Amateurbiologen" versuchen die Prozesse der synthetischen Biologie zu Hause nachzuvollziehen und eigene Experimente zu starten. Dass dadurch weitere Risiken entstehen ist offensichtlich. Dafür existieren bis heute noch keine Regelungen [DIB]. Im Allgemeinen lässt sich zusammenfassen, dass die momentan vorhandenen Sicherheitsstandards, Gesetze und Verordnungen in Deutschland ausreichen. Durch die Entwicklung neuer Techniken muss aber immer wieder die Diskussion gesucht und gegebenenfalls neue Regelungen eingeführt werden. [DIB]
Quellen
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- Pühler, Alfred; Müller-Röber, Bernd: Synthetische Biologie - Die Geburt einer neuen Technik-wissenschaft. Weinheim: Wiley, 2009
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- Bernauer, Hubert; et. al.: Report on the workshop: Technical solutions for biosecurity in synthetic biology. International Association Synthetic Biology (IASB), München, 03.04.2008
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- URL-1, verfügbar am 18.12.2012
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- URL-2, verfügbar am 18.12.2012
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- Gent Ricardo M; Roth; Marie-Luise: Diskussionspapier der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) zum Stand und Entwicklungen der Synthetischen Biologie. Frankfurt, Oktober 2011
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- URL-3, verfügbar am 18.12.2012
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- URL-4, verfügbar am 18.12.2012
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- Ilulissat Statement: Synthesizing the Future. A vision for the convergence of synthetic biology and nanotechnology. Views that emerged from the Kavli Futures Symposium "The merging of bio and nano: towards cyborg cells", 11-15 June 2007, Ilulissat, Greenland.
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- Jackson, R. J. et al.: Expression of mouse interleukin-4 by a recombinant ectromelia virus suppresses cytolytic lymphocyte responses and overcomes genetic resistance to mousepox. IN: Journal of Virology (2001), Nr. 75, S. 1205-1210.
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- Kämpfer, Peter; Beck, Volker: Biosafety- und Biosecurity-Regelungen in Deutschland. BIOspektrum, Februar 2010 | 16. Jahrgang
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- Nowak, R.: Disaster in the making. An engineered mouse virus leaves us one step away from the ultimate bioweapon. IN: New Scientist 13. Januar 2001, S. 4-5.
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- Selgelid, Michael J.; Weir, Lorna: The mousepox experience. An interview with Ronald Jackson and Ian Ramshaw on dual-use research. EMBO reports VOL 11 | NO 1 | 2010
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- URL-5, verfügbar am 18.12.2012
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- URL-6, verfügbar am 18.12.2012
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- World Health Organization: Responsible life science research for global health security. A guidance document. Schweiz, 2010