von Sabine Richter
Die bereits vorgestellten synthetischen Genschaltkreise umfassen typischerweise drei Funktionsmodule – die Sensoren, Prozessoren und Aktoren. Sensoren erkennen dabei die verschiedenen Eingaben aus der Umgebung von Zellen. Wie auf diese Eingaben reagiert werden soll, wird folgend von den Prozessoren bestimmt. Weiterhin übertragen die Aktoren Signale, welche die Funktion der Zelle in verschiedener Art und Weise verändern. Somit können die synthetischen Schaltkreise Regulationen bei der Übersetzung von DNA in RNA (Transkription), bei der Überschreibung der RNA in Proteine (Translation) oder bei der posttranslationalen Modifikation von Proteinen umfassen. Dabei sind verschiedene Komponenten beteiligt, wie zum Beispiel regulatorische DNA-Sequenzen, nicht-kodierende RNAs und Proteine, wie Transkriptionsfaktoren. Durch deren geschickte Kombination können Schaltkreise erzeugt werden, welche eine gewünschte Funktion erfüllen. Dabei ist es wichtig, dass die funktionellen Elemente, welche in einer Zelle zusammenwirken können, keinen Crosstalk betreiben, das heißt, sich nicht ungewollt gegenseitig beeinflussen (Jusiak et al. 2016).
Die meisten bisher synthetisierten Schaltkreise sind transkriptionsregulatorische Schaltkreise. Bei der Entwicklung und Umsetzung spielen programmierbare synthetische Transkriptionsfaktoren eine wichtige Rolle. Diese lassen sich in drei populäre Hauptklassen unterteilen. Dabei wird unterschieden in zinc-finger-proteins, transcription activator-like effectors und clustered regularly interspaced short palindromic repeats (kurz CRISPR). Wobei im Folgenden hauptsächlich auf die Mechanismen und den möglichen Einsatz von CRISPR eingegangen wird (Jusiak et al. 2016).
Natürlich vorkommende CRISPR-Systeme sind besonders für den Schutz von Bakterien gegenüber Viren bekannt, wie in Abbildung 1 dargestellt. Dabei wird die, in die Bakterienzelle eindringende virale DNA fragmentiert und anschließend am CRISPR-Lokus der Wirtszelle integriert. Von da aus wird sie in einem späteren Schritt transkribiert und zu einer CRISPR- RNA, kurz crRNA, prozessiert. Die crRNA kann einen Komplex mit einer tracrRNA bilden, welche wiederum an das CRISPR-assoziierte Protein 9 (Cas9) bindet (1B). Bei einem erneuten Angriff der Bakterienzelle durch einen bereits bekannten Virus, kann mit Hilfe der crRNA der Cas9-RNA-Komplex die virale Ziel-DNA binden und die Cas9-Endonuklease die virale DNA spalten (Wünschiers 2019). Dieser Vorgang ist in Abbildung 1C dargestellt.
Zur Verwendung von CRISPR in der synthetischen Biologie können die crRNA und tracrRNA gezielt durch ein RNA-Molekül ersetzt werden. Dieses nennt sich guide-RNA, kurz gRNA. Der daraus folgende Cas9-gRNA-Komplex kann als Genom-Editierwerkzeug eingesetzt werden. Denn die gRNA kann auf die Basenabfolge des visierten Genabschnitts angepasst werden und somit spezifisch schneiden (Jinek et al. 2012).
Eine weitere bedeutende Entwicklung ist das deaktivierte Cas9, kurz dCas9, welches aufgrund zweier Punktmutationen keine Endonuklease-Aktivität besitzt. Das heißt, es handelt sich weiterhin um einen Komplex aus gRNA und dCas9, der spezifische DNA-Sequenzen binden kann. Der Unterschied zu Cas9 liegt jedoch darin, dass dCas9 zu keiner Spaltung der DNA führt. Das dCas9 kann zusätzlich mit Effektor-Domänen fusioniert werden und somit die Transkription von Zielgenen unterdrücken oder aktivieren (Qi et al. 2013).
Die transkriptionelle Unterdrücken (Repression) wird dabei auch als CRISPRi bezeichnet. Bei Bakterien, wie zum Beispiel an Escherichia coli gezeigt werden konnte, wird eine Transkriptionsunterdrückung durch eine sterische Blockierung erreicht, wie in Abbildung 2 zu erkennen. Dabei wird die Ziel-DNA entwunden und das dCas9 gebunden, wodurch die Rekrutierung beziehungsweise das Fortschreiten der RNA-Polymerase (RNAP) verhindert wird und somit das Gen nicht exprimiert werden kann (Qi et al. 2013).
Bei Säugetieren hingegen kann das dCas9 allein keine transkriptionelle Unterdrückung hervorrufen. Stattdessen ist eine Fusion des dCas9-Komplexes mit einer sogenannten Krüppel- assoziierten Box Domäne, kurz KRAB, notwendig. Wie stark die Repression stattfindet, ist abhängig davon, wo der Komplex innerhalb des Zielgens bindet. Die Repression bei Säugetieren ist jedoch generell schwacher als bei Bakterien (Jusiak et al. 2016).
Für eine gezielte transkriptionelle Aktivierung, auch CRISPRa genannt, muss das dCas9 sowohl bei Bakterien- als auch bei Säugetierzellen mit einem weiteren Baustein fusioniert werden. Für den Einsatz in Bakterien wird ein Omega-Protein (ω) an das dCas9 gebunden, wie in Abbildung 4 zu erkennen. Dadurch werden die Wechselwirkungen zwischen Zielpromotor und RNA-Polymerase stabilisiert und die Transkription positiv beeinflusst (Bikard et al. 2013).
Bei Säugetieren ist eine Aktivierung durch die Fusion von dCas9 mit VP64 oder der P65- Untereinheit des Kernfaktors Kappa B möglich, wie Abbildung 5 beispielhaft zeigt.
Jedoch handelt es sich bei dCas9-VP64 um einen schwachen Transkriptionsaktivator. Daher ist es notwendig mehrere VP64-Einheiten zu binden, das heißt, mehrere Bindungsstellen für dieselbe gRNA in den Promotor einzubauen. Um eine starke transkriptionelle Aktivierung in Säugetierzellen hervorzurufen, werden mindesten drei gRNAs pro Promotor benötigt. Dadurch wird jedoch die parallele Regulierung vieler Gene eingeschränkt, was für den Aufbau komplexer Genschaltkreise von Nachteil ist (Jusiak et al. 2016).
Daher sind ebenso Studien wiederzufinden, die das Ziel verfolgen mit einem modifizierten CRISPR-dCas9-Komplex und einer einzigen gRNA mehrere Transkriptionsaktivator-Domänen zu rekrutieren. Mit diesen Methoden können bei Eukaryonten stärkere transkriptionelle Aktivierungen bewirkt werden (Jusiak et al. 2016).
Eine bereits bekannte Möglichkeit, die in etwa genauso wirksam ist, wie die Bindung mehrere Kopien des VP64 an einen Promotor, stellt der synergetische Aktivierungsmediator dar. Dieser ist in Abbildung 6 dargestellt ist. Dabei wird eine mit Aptameren modifizierte gRNA verwendet, welche RNA-bindende Proteine (MS2) und drei Transkriptionsaktivatoren rekrutiert. Zu diesen zählen das bereits aufgeführte VP64, der humane Hitzeschutzfaktor 1 (HSF1) und P65. Dabei ist die VP64-Untereinheit, wie bereits zuvor, direkt an das dCas9 fusioniert. P65 und HSF1 hingegen binden an das RNA-bindende Protein MS2 (Konermann et al. 2015).
Eine weitere Variante bietet die Fusionierung des dCas9 mit einem dreiteiligen Transkriptionsaktivator aus VP64, P65 und Rta, wie in Abbildung 7 gezeigt wird. Der entstehende Komplex wird auch dCas9-VPR genannt. Es wird davon ausgegangen, dass die drei Transkriptionsaktivatoren unterschiedliche Untergruppen von regulatorischen Proteinen rekrutieren und es durch deren Zusammenwirkung zu einer effektiveren Aktivierung kommt (Chavez et al. 2015).
In einem anderen Versuch wurde außerdem das in Abbildung 8 veranschaulichte sunCas9 entwickelt. Dabei handelt es sich um ein dCas9, welches mit mehreren Kopien eines SunTag- Proteins fusioniert wurde. Dieses ist in der Lage mit einer einzigen gRNA mehrere VP64 zu rekrutieren, welche über sogenannte Anti-SunTag-Fragmente binden können. Dadurch kann die Genexpression effizient aktiviert werden (Tanenbaum et al. 2014).
Ein weiterer Ansatz nutzt anstelle der bisher verwendeten gRNA eine Scaffold-RNA (scRNA), wie Abbildung 9 zeigt. Die scRNA rekrutiert, wie die gRNA, das dCas9-Protein und zusätzliche RNA-Aptamer-bindende Proteine (PP7 und MS2). Die RNA-Aptamer-bindenden Proteine fusionieren jeweils mit einem VP64. Somit wird ermöglicht, dass mit einer scRNA zwei Kopien des VP64 rekrutiert werden und die Transkriptionsaktivierung entsprechend steigt (Zalatan et al. 2015).
Je nach Problemstellung können die verschiedenen CRISPR-Systeme in synthetischen Genschaltkreisen in unterschiedlicher Art und Weise eingesetzt werden. Grundlegend dafür ist die Schichtung mehrerer Komponenten in einem Schaltkreis. Ebenso wichtig ist die Eigenschaft, dass CRISPR mit anderen regulatorischen Systemen kombiniert werden kann (Jusiak et al. 2016). Wie diese synthetischen Schaltkreise mit CRISPR-Technologien aussehen können zeigen die folgenden zwei Beispiele aus der Literatur.
Bei ersterem handelt es sich um ein CRISPR basiertes AND-Logikgatter, welches in Abbildung 10 schematisch dargestellt ist. Dieses wurde zur selektiven Expression in Blasenkrebszellen entwickelt. Dabei wird die Expression des dCas9-Proteins durch den blasenzellspezifischen HUP-II-Promotor angetrieben. Ein zweiter Input-Promotor, der krebszellenspezifische hTERT- Promotor, steuert hingegen die Transkription der gRNA. Die gRNA ist spezifisch für das LacI- Gen, weshalb diese auch als gRNA-LacI bezeichnet wird. Nur wenn beide Promotoren angesprochen werden, das heißt nur in Blasenkrebszellen, kann der Komplex aus dCas9 und gRNA gebildet werden. Dieser ist in der Lage die Expression von LacI zu unterdrücken. Das hat zu Folge, dass der LacI-Repressor nicht an den LacI-Operator binden kann. Somit kann die Transkription des Output-Gens nicht unterdrückt und das Output-Protein ungehindert exprimiert werden (Liu et al. 2014).
Im zweiten Beispiel handelt es sich um ein CRISPR basiertes Logikgatter zur Regulierung der Genexpression in Escherichia coli, wie in Abbildung 11 gezeigt wird. Dabei treibt ein Input Promotor die Expression der gRNA als Reaktion auf einen kleinmolekularen Input an. Wird die gRNA exprimiert, rekrutiert diese das dCas9-Protein zum Promotor des Output-Gens. Dadurch wird die Bindung der RNA-Polymerase verhindert und das Output-Gen infolgedessen nicht exprimiert. Das heißt, das Output-Gen kann nur exprimiert werden, wenn kein Input vorhanden ist. Daher wird dieser Mechanismus als NOT-Gatter bezeichnet (Nielsen und Voigt 2014).
Ähnlich diesen beiden Beispielen können in der synthetischen Biologie auch NOR-Logikgatter gestaltet werden. Dabei verfügt das System über zwei Inputs. Das Output-Gen wird in diesem Fall jedoch nur exprimiert, wenn keiner der beiden Inputs vorhanden ist. Durch eine Schichtung von NOT und NOR Gattern können außerdem OR und AND Gatter erzeugt werden, wodurch der synthetischen Biologie viele Variationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (Nielsen und Voigt 2014).
Jedoch sollten einige biologische Faktoren bei der Entwicklung von CRISPR-basierten Schaltkreisen nicht außer Betracht gelassen werden, um einen stabilen und zuverlässigen Mechanismus gewährleisten zu können.
Ein erster wichtiger Gesichtspunkt ist die Orthogonalität, denn sobald der Schaltkreis über mehrere Transkriptionsfaktoren und Promotoren verfügt, ist es wichtig, dass sich die regulatorischen Elemente nicht ungewollt gegenseitig beeinflussen. Der dCas9-gRNA-Komplex ist hierbei von Vorteil, da mit jeder spezifischen gRNA die entsprechende Sequenz angesteuert werden kann (Jusiak et al. 2016).
Um zusätzlich Crosstalk zu vermeiden, ist häufig die Induzierbarkeit von Komponenten des Genschaltkreises notwendig. Das heißt, oftmals müssen verschiedene Gene zu unterschiedlichen Zeiten aktiviert beziehungsweise unterdrückt werden. Bei Bakterien kann dieses Problem gelöst werden, indem die Expression der verschiedenen gRNAs an verschiedene molekulare Inputs geknüpft wird. Bei Eukaryonten besteht jedoch eine weiter Herausforderung darin, dass die gRNA im Zellkern verbleiben muss und das dCas9 meist als Effektor für alle gRNAs wirkt. Dadurch wird eine konstitutive und keine induzierbare Expression bewirkt. Dies stellt einen klaren Nachteil im Umgang mit Säugetierzellen dar. Allerdings existieren auch hier Möglichkeiten, eine induzierbare Regulation zu erreichen, wie das Beispiel in Abbildung 12 verdeutlicht. Dabei wurden gRNA-Sequenzen in eine proteincodierende Region eingesetzt, welche exprimiert wird. Das Transgen kodiert sowohl das Protein als auch die von zwei Ribosomen umgebene gRNA. Die beiden Ribosomen ermöglichen das Herauslösen der gRNA aus dem Transkript, wodurch schlussendlich das fertige Protein und die gewünschte gRNA entstehen können (Jusiak et al. 2016).
Neben der Orthogonalität und der Induzierbarkeit spielt auch die bidirektionale Regulierung eine wichtige Rolle in synthetischen Genschaltkreisen. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit, verschiedene Gene in derselben Zelle gleichzeitig zu unterdrücken und zu aktivieren. Bei Bakterien ist dies über den Bindungsort des dCas9-Fusionsproteins im Zielgen möglich. Bei Eukaryonten kann die bidirektionale Regulierung durch eine Modifizierung der gRNA mit einem Motiv ermöglicht werden, welches über Protein-RNA-Interaktionen Transkriptionsaktivatoren oder -regressoren rekrutieren kann. Ein Beispiel für diesen Mechanismus stellt die bereits erwähnte scRNA dar (Jusiak et al. 2016).
Ein weiteres wichtiges Merkmal von synthetischen Genschaltkreisen ist die System-Spezifität, da eine Off-Target-Genregulation vermieden werden soll. CRISPR-basierte synthetische Schalkreisen weisen eine hohe Spezifität auf. Dies lässt sich wahrscheinlich auf den engen Bereich zurückführen, in dem die gRNA binden kann (Jusiak et al. 2016).
Das Multiplexing stellt eine weitere Eigenschaft dar, die beim Aufbau von synthetischen Genschaltkreisen bedacht werden sollte. Das Multiplexing beschreibt die Fähigkeit, mehrere Ziele gleichzeitig zu kontrollieren. Das ist besonders wichtig, wenn die Schaltkreise möglichst natürlich aufgebaut und komplexe Problemstellungen angegangen werden sollen. Dazu ist dCas9 aufgrund des modularen Aufbaus bestens geeignet. Denn ein einziger dCas9-Effektor kann verschiedene Gene angreifen. Dazu muss ausschließlich die dazugehörige gRNA verändert werden (Jusiak et al. 2016).
Um einen solch komplexen Schaltkreis umsetzen zu können, muss es ebenso möglich sein mehrere gRNAs in derselben Zelle zu exprimieren. Oft werden dazu mehrere Plasmide, die jeweils eine gRNA kodieren, in die Zelle eingeschleust. Neuere Studien zeigen, dass es möglich ist, bis zu vier gRNAs aus einem Transkript zu exprimieren. Für die Spaltungen zwischen den gRNAs werden hierbei ortsspezifische Endonukleasen eingesetzt (Jusiak et al. 2016).
Die Kombination solcher Expressionstechniken mit den CRISPR-basierten Transkriptionsfaktoren sollte es in Zukunft ermöglichen, skalierbare synthetische Schaltkreise aufzubauen, die über mehrere regulatorische Einheiten verfügen und der Natur möglichst nahe kommen.
Im Allgemeinen ermöglichen CRISPR-basierte Transkriptionsfaktoren neue Fortschritte in der parallelen Regulierung mehrerer Gene sowie eine einfache Handhabung. Durch den Einfluss von CRISPR bieten sich zahlreiche neue Möglichkeiten zur Konstruktion skalierbarer regulatorischer Schaltkreise in lebenden Zellen. Dennoch handelt es sich um ein Gebiet, welches noch zahlreiche wissenschaftliche Aufgaben zu lösen hat. Die synthetischen Schaltkreise weisen jedoch in vielen verschiedenen Bereichen ein hohes Anwendungspotenzial auf, wie zum Beispiel in der Gentherapie, Krebsforschung oder der Prozessoptimierung.