Interaktionen genetischer Schaltkreise
von Nils Schön
Nachdem sich unter der Überschrift Genetische Schaltkreise damit beschäftigt wurde was man unter diesem technisch anmutenden Begriff versteht bzw. was die Grundidee des Ganzen ist, soll sich dieser Artikel mit Interaktionen zwischen den Schaltkreisen beschäftigen. Wir werden uns an konkreten Beispielen anschauen wie es möglich ist zwei genetische Schaltkreise, auf verschiedenen Wegen, miteinander zu koppeln und warum man das überhaupt braucht. Unsere Beispiele beziehen sich dabei im Wesentlichen auf eine Arbeit von Katarzyna P. Adamala et al. In welcher es um die „Interaktionen genetischer Schaltkreise innerhalb und zwischen synthetischen Minimalzellen“ geht.
Grundlage dafür, dass Interaktionen überhaupt stattfinden können sind in synthetische Minimalzellen eingeschlossene genetische Schaltkreise. Lipid-Vesikel bilden die Membran der synthetischen Zellen. Des Weiteren spielen Tunnelproteine eine entscheidende Rolle bei der Interaktion zwischen Schaltkreisen in unterschiedlichen Zellen. Die Tunnelproteine ermöglichen den Transport von „Signalstoffen“ aus und in die synthetischen Zellen [Garni, 2017]. Oft handelt es sich, wenn man von genetischen Schaltkreisen in synthetischen Zellen spricht um einzelne Gene welche an- oder ausgeschalten werden. Häufig finden diese Untersuchungen in homogenen Populationen von Lipid-Vesikeln statt. Mit der Interaktion zwischen genetischen Schaltkreisen in synthetischen Zellen soll erreicht werden, den einzelnen Reaktionen optimale Bedingungen bereitzustellen und gleichzeitig die Skalierbarkeit und Flexibilität zu optimieren. Beim Design dieser Reaktionskaskaden wird weiterhin an dem Grundsatz der Modularität festgehalten.
Bevor wir uns den konkreten Beispielen widmen möchte ich an dieser Stelle das Grundprinzip für die folgenden Beispiele erläutern. In den synthetischen Minimalzellen befindet sich ein Gen für das Enzym Luciferase (Luc). Dieses Enzym erzeugt Licht, wenn es sein Substrat namens Luciferin unter Anwesenheit von Sauerstoff umwandelt. Man kann sich das wie das Leuchten von Glühwürmchen vorstellen, denn diese bedienen sich ebenfalls der Luciferase um nachts leuchtend umher zu schwirren [Kimura, 2009]. Funktioniert also unser genetischer Schalter können wir durch die Konzentration an Luciferase feststellen ob das Experiment erfolgreich war. Damit das Gen für die Luciferase an bzw. ausgeschalten werden kann macht man sich einen Doxycyclininduzierbaren Tetracyclin-sensitiven Promotor zu Nutzen. Das heißt im Klartext, ist in einer synthetischen Zelle Doxycyclin (Dox) vorhanden kann das Luciferasegen abgelesen werden und es wird Luciferase hergestellt, welche wir quantifizieren können. Da es für die Experimente von Bedeutung ist, dass Doxycyclin von unseren synthetischen Zellen aufgenommen bzw. abgegeben werden kann, gibt es noch ein Gen für Alpha-Hämolysin (aHL). Alpha-Hämolysin bildet eine die Zellmembran durchspannende Poren aus durch welche Doxycyclin aufgenommen und abgegeben werden kann [Kawate 2003]. Das Doxycyclin fungiert in unserem Fall wie ein Signalstoff, welcher den genetischen Schalter anschaltet und auch zwischen den synthetischen Zellen ausgetauscht werden kann.
Um synthetische Zellen miteinander interagieren zu lassen ist es wichtig sicherzustellen, dass sich zwei verschiedene Arten von synthetischen Zellen bzw. deren relevante genetische Schalter nicht unkontrolliert beeinflussen. Damit wird sichergestellt, dass inkompatible genetische Reaktionen durch das Einbringen in verschiedene Lipid-Vesikel getrennt werden können aber diese dennoch parallel in einer gemeinsamen Umgebung ablaufen können. Dadurch ist eine separate Anpassung der synthetischen Zellen an die entsprechenden Reaktionen möglich ohne negative Beeinflussung auf die andere Population an Zellen in derselben Umgebung. Die Grundbausteine der synthetischen Zellen bleiben dabei für beide genetische Schalter die Gleichen. Wir haben also zwei verschiedene Arten von Zellen. Eine Art enthält ein Gen für Firefly-Luciferase (fLuc) und die andere Art ein Gen für Renilla-Luciferase. Die beiden Luciferasen können voneinander unterschieden werden. Beide Luciferase Gene werden angeschaltet, wenn Doxycyclin in der synthetischen Zelle vorliegt. Damit das Doxycyclin aber überhaupt in die Zellen gelangen kann gibt es in jeder Zelle noch Gene für Alpha-Hämolysin, welches wie weiter oben genannt Poren ausbildet in der Membran der Zellen. Während die Menge an Genen für die beiden Luciferasen in beiden Gruppen gleich bleibt wird die Mengen an Genen für die Membranporen variiert. Ist eine hohe Genkonzentration des aHL in der Zelle vorhanden, besitzt die Membran auch viele Poren. Im Umkehrschluss werden aber auch nur wenig Poren gebildet, wenn wenig des Poren-Gens in der Zelle vorhanden ist. Für die Untersuchung befinden sich die beiden Gruppen an synthetischen Zellen in einer Umgebung. In dieser Umgebung liegt Doxycyclin vor, welches über die Zeit von den Zellen, durch die aHL-Poren, aufgenommen wird und dadurch die Luciferasebildung auslöst. Das Experiment hat gezeigt, wenn in beiden Zellen wenig Poren vorhanden waren, konnte auch nur wenig der entsprechenden Luciferasen gebildet werden. Waren hingegen in beiden Zellpopulationen viele Membranporen vorhanden so war auch in beiden Zellarten die Konzentration an Luciferase höher. Es wurde auch untersucht wie es sich verhält, wenn in einer Population viel des aHL-Gens vorhanden war und in der anderen wenig. Die Konzentration der entsprechenden Luciferase korrelierte auch in diesem Fall mit der Anzahl der Poren in der Zellmembran. So wurde, wenn die Renilla-Luciferase-Zellen viele Poren hatten und die Zellen mit Firefly-Luciferase nur wenige, auch wesentlich mehr Renilla-Luciferase gebildet. Es konnte somit nachgewiesen werden, dass die Produktmenge in diesem Versuchsaufbau nur von der Anzahl an Poren bzw. von der Menge des aHL-Gens abhängig war. Es konnte keine gegenseitige Beeinflussung der synthetischen Zellen festgestellt werden. Diese Erkenntnis könnte später angewendet werden um synthetische Zellen, welche in derselben Umgebung eingesetzt werden, unterschiedlich sensitiv zu gestalten [Adamala, 2017].

Nachdem wir nun geklärt haben, dass sich die synthetischen Zellen nicht ohne unser zutun gegenseitig beeinflussen schauen wir uns an wie wir erreichen, dass synthetische Zellen miteinander interagieren. Wir wollen also zwei verschiedene synthetische Zellen dazu bringen, dass die eine auf die andere hört. Das Prinzip kann mit Hilfe der Elektrotechnik veranschaulicht werden. Eine synthetische Zelle nimmt die Funktion eines Senders ein welche ein Signal ausgibt welches wiederum von einem Empfänger aufgenommen und verarbeitet wird. Unser Sender ist eine synthetische Zelle, welche einen Stoff namens IPTG enthält. Dieser Stoff dient als Signalmolekül zwischen Sender und Empfänger. Neben dem Signalstoff ist wieder das uns bekannte Gen für Membranporen in den Zellen enthalten. Das Membranporengen benötigt allerding Arabinose, damit sich Poren ausbilden können. Die nötige Arabinose wird aus dem umgebenden Medium aufgenommen. Arabinose kann im Gegensatz zu IPTG oder Dox ohne Membranpore, einfach durch die Membran in die Zellen wandern. Von der Senderzelle wird nun also Arabinose aufgenommen, dadurch werden Membranporen gebildet und unser Signalstoff (IPTG) kann in die Umgebung abgegeben werden. Die synthetischen Zellen welche als Empfänger dienen nehmen den Signalstoff durch schon vorhandene Membranporen auf. In den Empfängerzellen wird IPTG benötigt damit das dort enthaltene Luciferasegen abgelesen werden kann. Dadurch kann Luciferase gebildet werden wodurch nachgewiesen werden kann, dass das Experiment erfolgreich war. Auf diese Weise können mehrkomponentige genetische Schaltkreise mit unterschiedlichen chemischen Mikroumgebungen zu kohärenten Netzwerken zusammengesetzt werden, die aus mehreren Modulen bestehen. Durch die Trennung der Reaktionen in unterschiedlichen Zellen ist eine genaue Anpassung von den Verhältnissen der Zellpopulationen möglich wodurch das Reaktionsnetzwerk nach den gewünschten Anforderungen designet werden kann. Es ist des Weiteren möglich Sender- bzw. Empfängerzellen aus unterschiedlichen biologischen Bausteinen aufzubauen. So kann eine Zellart beispielsweise aus bakteriellen Elementen aufgebaut sein wo hingegen die andere synthetische Zelle eher aus, für Säugetiere typischen Elemente aufgebaut wird. Es muss allerding ein mit beiden Zellen kompatibler Signalstoff verwendet werden [Adamala, 2017].

Es ist jedoch nicht immer möglich oder sinnvoll zwei unterschiedliche synthetische Zellen über einen Signalstoff miteinander interagieren zu lassen. Praktischer wäre es für manche Anwendungen, wenn zwei synthetische Zellen quasi auf Kommando miteinander verschmelzen und die enthaltenen genetische Schaltungen dann in einer Umgebung vorliegen. Ein Beispiel dafür ist die Proteinbiosynthese bei dieser findet der erste Teil, also die Transkription im Zellkern statt. Die Translation, welche den zweiten Teil der Proteinbiosynthese darstellt, findet dagegen in Zellplasmaumgebung statt. Nur um es noch einmal ins Gedächtnis zu rufen bei der Proteinbiosynthese handelt es sich um die Bildung von Proteinen anhand ihres in der DNA gespeicherten Bauplans. Die Transkription umfasst das übersetzten des entsprechenden DNA-Abschnittes in mRNA. Unter Translation hingegen versteht man hingegen das Bilden eines Polypeptids und so des Proteins anhand der mRNA. Es wäre also praktisch in einer synthetischen Zelle die Umgebung des Zellkerns nachzubilden und dort die Transkription ablaufen zu lassen. Nach Ablauf der Transkription verschmilzt die synthetische Zelle mit einer weiteren in welcher jedoch eine Umgebung ähnlich des Zellplasmas vorherrscht. In der verschmolzenen synthetischen Zelle findet dann die Translation statt. Für die Fusion der synthetischen Zellen miteinander wurden beide Arten von Zellen mit komplementären SNARE-Proteinen ausgestattet. Bei den SNARE-Proteinen handelt es sich um Membranproteine, welche eine Fusion von Membranen ermöglichen können [Rognlien,2003]. In einem Experiment konnte mit genannter Vorgehensweise die Proteinbiosynthese von Luciferase durchgeführt werden. Bei einem Kontrollexperiment bei welchem versucht wurde Transkription und Translation in einer einzigen synthetischen Minimalzelle durchzuführen konnte bestätigt werden, dass die Proteinbiosynthese bei nur einer Umgebungsbedingung nicht stattfinden kann [Adamala, 2017].
Die kontrollierte Interaktion oder das Verhindern ebenjener und die gezielte Fusion von synthetischen Zellen ermöglicht es komplexe genetische Schaltkreise in besser steuerbare Module zu unterteilen. Dadurch wird die Modularität weiter erhöht und Prozesse können in genau abgestimmten Umgebungen ablaufen [Adamala, 2017].
Literatur
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- Garni, Martina; Thamboo, Sagana; Schoenenberger, Cora-Ann; Palivan, Cornelia G. (2017): Biopores/membrane proteins in synthetic polymer membranes. In: Biochimica et Biophysica Acta (BBA) - Biomembranes 1859 (4), S. 619–638. DOI: https://doi.org/10.1016/j.bbamem.2016.10.015.
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- Adamala, Katarzyna P.; Martin-Alarcon, Daniel A.; Guthrie-Honea, Katriona R.; Boyden, Edward S. (2017): Engineering genetic circuit interactions within and between synthetic minimal cells. In: Nature chemistry 9 (5), S. 431–439. DOI: https://doi.org/10.1038/NCHEM.2644.
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- Kimura, A.; Kobayashi, E. (2009): Imaging Studies Using Reporter-Gene Transgenic Rats. In: Encyclopedia of Neuroscience: Elsevier, S. 97–102. Online verfügbar unter https://doi.org/10.1016/B978-008045046-9.00871-8.
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- Das, Atze T.; Tenenbaum, Liliane; Berkhout, Ben (2016): Tet-On Systems For Doxycycline-inducible Gene Expression. In: Current gene therapy 16 (3), S. 156–167. DOI: https://doi.org/10.2174/1566523216666160524144041.
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- Kawate, Toshimitsu; Gouaux, Eric (2003): Arresting and releasing Staphylococcal alpha-hemolysin at intermediate stages of pore formation by engineered disulfide bonds. In: Protein science : a publication of the Protein Society 12 (5), S. 997–1006. DOI: https://doi.org/10.1110/ps.0231203.
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- Rognlien, K. T.; Woodbury, D. J. (2003): Reconstituting SNARE proteins into BLMs. In: Planar Lipid Bilayers (BLMs) and Their Applications, Bd. 7: Elsevier (Membrane Science and Technology), S. 479–488.