Methoden zur Herstellung eines optimalen Produktionsorganismus für mittelkettige Fettsäuren durch Saccharomyces cerevisiae
von Frank-Thorben Peters
Fettsäuren sind essenziell für die meisten Organismen und lassen sich nach der Menge an enthaltenen Kohlenstoffatomen in kurzkettig (SCFA, „short chain fatty acids“), mittelkettig (MCFA, „medium chain fatty acids“) und langkettig (LCFA, „long chain fatty acids“) einteilen. Sie sind natürliche Bestandteile von Tier- und Pflanzenzellen und wichtig für den Zellmetabolismus. Beim Menschen werden SCFAs und MCFAs entweder aus der Nahrung gewonnen, wobei die wichtigsten Quellen die Muttermilch für Säuglinge, sowie diverse Kernöle für Erwachsene sind, oder aber zumeist in den Leberzellen durch Umwandlungsprozesse der häufig auftretenden LCFAs produziert. [1]
Jedoch sind die verschiedenen Fettsäuren nicht nur überlebenswichtig für Säugetiere, sondern können auch in der Industrie sinnvoll eingesetzt werden. Vor allem die MCFAs mit ihrer Kettenlänge zwischen 6 und 12 Kohlenstoffatomen (C6 – C12) sind sehr gefragt. Sie können als Ersatz in Treibstoffen wie Benzin und Kerosin dienen, für die Herstellung von Plastik und Tensiden eingesetzt werden oder in der Kosmetikindustrie Anwendung finden. Leider entstehen auf natürlichem Wege ausreichende Mengen dieser Art von Fettsäuren nur in bestimmten Pflanzenkernölen (wie der Kokosnuss). Diese können jedoch nur in geringem Maße angebaut werden, da die Anforderungen an Land, Wasser und Dünger sehr groß sind. Es wäre daher auch mit hohen Umweltbelastungen, wie der Abholzung großer Waldflächen, verbunden, um den Anbau solcher Pflanzen auszuweiten. Eine weitaus schonendere Methode erscheint darum die Herstellung von MCFAs durch mikrobielle Umwandlung von erneuerbarer Biomasse (wie beispielsweise Zucker). [2]
In der wissenschaftlichen Veröffentlichung „Multidimensional engineering of Saccharomyces cerevisiae for efficient synthesis of medium-chain fatty acids“ wurde versucht genau dies zu erreichen. Als Versuchsorganismus diente Saccharomyces cerevisiae (die Bierhefe) welche in Bezug auf ihre grundlegenden Fähigkeiten zur Produktion von MCFAs untersucht wurde. Diese sollten dann über diverse biotechnologische Methoden gesteigert werden. Gleichzeitig wurde versucht den Abtransport der entstehenden MCFAs aus der Zelle zu beschleunigen, da diese in großen Mengen toxisch wirken. So sollte ein Organismus entstehen, der eine hohe Ausbeute an den begehrten mittelkettigen Fettsäuren in industriellem Maßstab gewährleisten kann.
Welche Methoden Anwendung fanden und welche Veränderungen vorgenommen wurden soll nachfolgend erläutert werden.
Die Fettsäure Herstellung der Hefe
Verschiedene Organismen sind in der Lage Fettsäuren zu synthetisieren, jedoch unterscheidet sich die Organisation der benötigten Enzymaktivität. Die Fettsäure Synthasen (FAS, „fatty acid synthase“) lassen sich in zwei Typen einteilen. Typ 1 FAS die vor allem in Eukaryoten (wie Hefen, Pilzen und Tieren) auftreten sind sogenannte Megasynthasen. Das bedeutet das alle für die Herstellung von Fettsäuren benötigten Enzyme sich auf einer (selten auch auf zwei) Polypeptidketten befinden. Die Typ 2 FAS von Prokaryoten (Pflanzen und Bakterien) beruhen auf einer Vielzahl von unabhängigen Enzymen. Für das Bioengineering sind also die Typ 1 FAS besser geeignet, da Veränderungen des Syntheseweges hier gezielter durchgeführt und die Wirkung der Veränderung leichter überprüft werden kann. [3]
Im für diesen Versuch angewandten Organismus S. cereviseae funktioniert die FAS wie in Abbildung 1 dargestellt. Durch eine Kohlenstoffquelle wie Zucker bilden sich die zwei essenziellen Ausgangsstoffe Acetyl-CoA und Malonyl-CoA. Die FAS ist dann in der Lage diese beiden Zwischenprodukte über diverse enzymatische Reaktionen in einen CoA-Ester mit einer gewissen Kettenlänge umzuwandeln.

Für die Länge der Fettsäurekette ist das Enzym Thioesterase verantwortlich, dass den Vorgang der Kettenverlängerung in der FAS unterbrechen kann. Lange Ketten mit 12 bis 18 Kohlenstoffatomen werden von der Hefe meist schnell weiterverarbeitet, da sie beispielweise für den Aufbau von Membranen benötigt werden. Die MCFAs hingegen sammeln sich in der Zelle an und können in größeren Mengen die Zellwand schädigen und den pH im Cytosol senken. Bei ca. 100 mg/l kann man eine signifikante Hemmung des Zellwachstums durch C8 und C10 erwarten. [2]
Es bestehen also zwei Ansätze, um die Produktion von MCFAs durch eine Hefezelle zu erhöhen.
Ein logischer erster Ansatz ist die Suche nach der FA-Synthase, die den größtmöglichen Durchsatz an MCFAs erlaubt. Untersucht wurde dazu das für Pilze typische FAS von S. cereviseae („ScFAS“) sowie das bakterielle FAS von M. vaccae („MvFAS“). Beide besitzen den grundlegenden Aufbau und verwenden die gleichen Enzyme, die zuvor in Abbildung 1 erläutert wurden. Es wurde untersucht welche Auswirkungen die Veränderung der Aktivität der Enzyme einzeln oder in Kombination haben. Anschließend wurde versucht die ScFAS und die MvFAS zu kombinieren und so durch eine Co-Expression der beiden Synthasen eine höhere Produktion an MCFA zu erreichen.
Der zweite Ansatz war der Versuch die Zelltoleranz gegenüber den toxischen Produkten zu erhöhen. Hierbei gab es zwei verschiedene Entwürfe. Die als am toxischsten geltende Fettsäure C10 sollte mit einem speziellen Membrantransporter namens Tpo1 schneller abgeführt werden. Dies würde vermeiden das sich die Zelle bei der Produktion selbst inhibiert.
Eine sogenannte gerichtete Evolution sollte zusätzlich diesen Membrantransport optimieren. Gegen die Fettsäure C8 wurde der Versuch unternommen mithilfe von ALE („adaptive laboratory evolution“) eine bestehende natürliche Resistenz zu verstärken.
FAS Optimierung
Um zu testen welche Enzyme einen bedeutenden Einfluss auf die FAS besitzen wurden verschiedene bekannte Mutationen in den Organismen S. cereviseae und M. vaccae verwendet. Die Wildtypen der FAS1 Kassette dieser beiden ist in Abbildung 2 zu sehen.

Für die Untersuchung wurden zunächst unterschiedliche interessante Mutationen in dem Stamm PWY12 von S. cereviseae getestet, welcher keine FAS1 oder FAS2 Gene enthielt. Dazu wurde ein Vektor, der die zu untersuchende Mutation enthält, erstellt, der dann in den Wirtsstamm mittels Transformation überführt wurde. Dabei wurde herausgefunden, dass beispielsweise gewisse Mutanten der Malonyl/Palmitoyl-Transferase (MPT) die Geschwindigkeit beeinflussten mit dem Substrat angelagert und Produkt abgeladen wurde. Auch zeigte sich das Mutationen der Ketoacyl-Synthase (KS) die Bildung zu langer Fettsäureketten verhindern können. Vor allem letzteres zeigte starken Einfluss auf die Produktion von MCFAs. Den größten Effekt erzielte man als man die mutierte KS mit einer externen Thioesterase (AcTesA aus dem Bakterium Acinetobacter baylyi) kombinierte. Die Ausbeute an MCFA des kombinierten Stammes war ca. 150% höher als der Vergleichsstamm, der nur die externe Thioesterase enthielt. Es wurden vor allem die kürzeren Fettsäuren C6 und C8 produziert. [2]
Das bakterielle FAS ist dem der Hefe sehr ähnlich und man kann das FAS1 aus einem Bakterienstamm wie M. vaccae in eine Hefezelle transformieren. Dieses MvFAS1 ist dann in der Lage in der Wirtszelle Fettsäuren zu synthetisieren. Im Versuch zeigte sich das das MvFAS1 in einem Stamm von S. cereviseae (hier PWY12) mehr intrazelluläre und vor allem sehr viel längere Fettsäuren (C20-C26) herstellte als das natürliche ScFAS1. Bei der Arbeit mit Mutanten zeigte sich auch hier das eine veränderte Ketoacyl-Synthase Domäne zur Produktion von mehr MCFAs führt. Ebenso beobachtete man in Kombination mit der AcTesA Thioesterase eine weitere Steigerung der möglichen MCFA Ausbeute, die schlussendlich 4mal so hoch war wie die des verwendeten MvFAS1 Wildtyps. Auffällig war das hierbei größtenteils die Fettsäure C10 gebildet wurde (74% aller erhaltenen MCFAs). [2]
Schlussendlich sollten die beiden optimalen Mutanten der FAS Kassetten für ScFAS und MvFAS kombiniert werden. Dadurch wurde die Ausbeute an MCFAs im Vergleich zu einer Zelle die nur ScFAS enthielt um ca. 16% gesteigert, wobei mehr des längerkettigen C10 (40%) hergestellt wurde. [2]
Gerichtete Evolution des Tpo1 Transporters
Für die Wirtszelle wirkt eine Ansammlung von mittelkettigen Fettsäuren im Zellinneren inhibierend und vor allem C10 zeigt stark toxische Wirkung. Hier zeigte sich das der Plasmamembrantransporter Tpo1 die Resistenz der Zellen gegen C10 stark erhöhen konnte, da er das Endprodukt in den Extrazellulären Raum transportiert. Dieser sollte mithilfe von gerichteter Evolution optimiert werden (siehe Abbildung 3).

Gerichtete Evolution bezeichnet hierbei eine Methode, die die Darwin’sche Auslese nachahmen soll. Dazu wird zunächst das Gen von Interesse (hier Tpo1) in ein Plasmid überführt. Für dieses sollen nun zufällige Mutationen erstellt werden, um eine Mutagen Bibliothek zu erstellen. Die hierfür am häufigsten verwendete Methode ist die „Error prone PCR“. Hierbei handelt es sich um eine Vervielfältigung des Genabschnitt mittels Polymerase-Kettenreaktion, bei dem jedoch die Wirkung der taq-Polymerase behindert wird. Diese erzeugt dann bei der Kettenverlängerung Mutationen, wobei die Fehlerrate bei ca. 0,66% pro Nukleotid liegt. Je mehr Zyklen die PCR hat, desto mehr Mutationen kommen zustande. [4]
Im Versuch erstellten die Forscher auf diesem Weg eine Mutagen Bibliothek mit ca. 8000 Mutanten. Diese wurden dann in Zellen von S. cereviseae überführt und in Lösungen mit unterschiedlichen Konzentrationen an C10 (zwischen 60-90 mg/l) gegeben. Hier sind die Zellen einem Selektionsdruck ausgesetzt, da nur solche Zellen wachsen, die eine gewisse Resistenz gegen die Fettsäure aufweisen. Welche Mutanten die größte Toleranz hatten wurde über eine Phänotypisierung (hier die Messung der Zellgröße) herausgefunden. Die Mutanten mit den größten Zellen (und damit dem besten Wachstum) mussten besonders hohe Resistenzen gegen C10 aufweisen und konnten weiter untersucht werden. [2]
Eine bestimmte Mutante, die die Forscher M49 nannten, war im Vergleich zum Wildtyp in der Lage eine 0,8-2,1fache Menge an Fettsäuren C10, C12 und C14 herzustellen. Die Ausbeute an C6 und C8 hingegen wurde nur minimal erhöht. Interessant ist das die Forscher die genauen Zusammenhänge, mit der die Mutation des Tpo1 die Resistenz der Zelle gegen MCFAs erhöht, nicht herausfinden konnten. Dies liegt vor allem daran das diese Familie der Membrantransporter noch relativ unerforscht sind. [2]
Erhöhung der Zellresistenz gegenüber C8
Um weitere Resistenzen gegenüber MCFAs zu finden wurde ein Versuch unternommen mithilfe der Adaptive laboratory evolution (ALE) die Resistenz der Hefezellen für C8 zu erhöhen.
Bei ALE handelt es sich um eine weitere Methode der Untersuchung evolutionärer Zusammenhänge unter Laborbedingungen. Hierbei werden die Mutationen, die für die Resistenzbildung verantwortlich sind, nicht über eine Error prone PCR erzeugt, sondern über längere Zeiträume unter definierten Kultivationsbedingungen von den Organismen selbst gebildet. Schematisch wurde wie in Abbildung 4 vorgegangen.
Man kultiviert dazu Hefestämme in Schüttelflaschen mit den gewünschten Kulturbedingungen (hier eine gewisse Konzentration an C8 Fettsäure). In gleichmäßigen Zeitintervallen (für gewöhnlich täglich) werden die gewachsenen Zellen in eine neue Schüttelflasche mit frischem Medium überführt. Mehrere Reihen von Schüttelflaschen mit unterschiedlichen Kulturmedien können parallel durchgeführt werden. [5]
Im Versuch wurde jedoch nur der Gehalt an C8 im Medium verändert. Zellen die resistenter gegenüber der Fettsäure waren, konnten besser wachsen und nützliche Mutationen wurden bei jeder Generation verstärkt. Nach über 100 Generationen, also mehr als 100 Überführungen in eine neue Schüttelflasche, erhielt man Stämme, die eine gewisse natürliche Resistenz gegenüber C8 hatten. Bei einer Sequenzierung dieser fand man sieben Mutationen in Genen die Proteine kodieren, welche hierfür verantwortlich zu sein schienen. Hierzu zählten beispielsweise ein Gen für einen Transporter von Sterolen (Membranlipide) zwischen Organellmembranen oder ein Transkriptionsfaktor für eine Multi Drug Resistenz. Beide Gene wurden in den Mutanten deletiert. [2]

Fünf Stämme, die verschiedene dieser Mutationen enthielten, wurden mit dem Wildtyp in Bezug auf die MCFA Produktion (also C6, C8, C10 und C12) verglichen und zeigten eine 0,3-2,2fach höhere Ausbeute dieser. Die Resistenz gegenüber der C8 Fettsäure hatte also positive Auswirkungen auf die Produktion mehrerer gewünschter MCFAs. [2]
Der Optimale MCFA Produzent
Nun da unterschiedliche Möglichkeiten der Erhöhung der Ausbeute an MCFA untersucht wurden, sollte versucht werden die Erkenntnisse zu kombinieren, um einen Organismus für mögliche industrielle Anwendungen zu kreieren. Als Chassis diente ein bei der ALE gefundener Stamm von S. cereviseae der eine erhöhte Resistenz gegenüber C8 Fettsäuren besaß. Diesem wurde nun ein Intron für ScFAS mit der mutierten Ketoacyl-Synthase und Thioesterase hinzugefügt. Sinnvoll erschien es den Forschern außerdem das ACC, welches bei der FAS die Ausgangsstoffe umwandelt, an der Phosphorylierung zu hindern. Damit garantierte man dessen Wirkung. Auch nutzte man eine ATP Citrat Lyase um die Expression eines der Ausgangsstoffe (Acetyl-CoA) zu erhöhen. Zur Steigerung der Produktion langkettiger MCFAs wie C10 wurde anschließend die bakterielle MvFAS Mutante eingefügt. Dessen Wirkung wurde dann noch durch die gegenüber C10 resistente Mutante des Membrantransporters Tpo1 gesteigert. Der entstehende optimale Produktionsorgansimus erzeugte 1,39 g/l an MCFAs und hatte damit eine ca. 250fach höhere Ausbeute als der Ausgangsstamm YJZ02, der nur 4mg/l herstellen konnte. [2]
Literaturquellen
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- Schönfeld P., Wojtczak L.: „Short- and medium-chain fatty acids in energy metabolism: the cellular perspective“ (2016), Journal of Lipid research, Ausgabe 57, 943-954
- Zhu Z., Hu Y., Teixeira P.G., et al: „Multidimensional engineering of Saccharomyces cerevisiae for efficient synthesis of medium-chain fatty acids“ (2020), Nature Catalysis, Ausgabe 3, 64-74
- Kolter T.: „Die Fettsäure-Fabrik der Hefe“ (2007), Angewandte Chemie, Wiley-VHC Verlag GmbH & Co., Auflage 119, 6895-6898
- McCullum E., Williams B., Zhang J., et al: „Random Mutagenesis by Error-Prone PCR“ (2010), Methods in Molecular Biology, Auflage 634, 103-109
- Dragosits M., Mattanovich D.: „Adaptive laboratory evolution – principles andapplications for biotechnology“ (2013), Microbial Cell Factories
Bildquellen
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- bearbeitet nach: J. Gajewski et al.: „Engineering fungal de novo fatty acid synthesis for short chain fatty acid production“ (2017), Seite 2
- Zhu Z., Hu Y., Teixeira P.G., et al: „Multidimensional engineering of Saccharomyces cerevisiae for efficient synthesis of medium-chain fatty acids“ (2020), Seite 66
- Frank Peters (2020) verwendetes Programm: Biorender.com
- bearbeitet nach: Dragosits M., Mattanovich D.: „Adaptive laboratory evolution – principles andapplications for biotechnology“ (2013), Seite 2