Synthetische Biologie

Design von Zellen mit synthetischen Notch-Rezeptoren als orthogonale Systeme

von Nico Seidel

Einleitung

Der Begriff „Orthogonalität“ beschreibt per Definition, dass 2 Vektoren in einem Diagramm zueinander senkrecht verlaufen. Ganz allgemein kann man daraus ableiten, dass diese Vektoren (oder auch die sich hinter den Vektoren stehenden Daten) wenig miteinander korrelieren. Oder kurz: Orthogonal bedeutet „unabhängig voneinander“. Diese Definition lässt sich auch auf biologische Systeme übertragen. Doch auf was genau bezieht sich diese Unabhängigkeit und was macht sie so interessant?

Zunächst einmal beschreibt orthogonal möglichst unabhängig voneinander funktionierende Bausteine in einem Biosysteme. Das umfasst jene Metabolite, Transkriptionsfaktoren, Liganden oder etwaige Elemente eines Signaltransduktions- oder metabolischen Pfades. Orthogonalität bedeutet im Kontext der synthetischen Biologie die freie Kombinierbarkeit unabhängiger Teilsysteme zu verändern, ohne gleichzeitig andere Teilsysteme erheblich zu stören. Ein entscheidender Vorteil dadurch ist eine Art „Vielfalt“ durch diese unabhängigen Teilkomponenten in den Biosystemen. Wie genau sich diese darstellt, soll im Folgenden am Beispiel des Notch-Rezeptors erklärt werden.

Notch-Rezeptoren

Bei dem sogenanntem Notch-Rezeptor handelt es sich um einen Transmembranrezeptor. Das heißt, es ist ein Protein, welches sich durch die zweilagige Lipidschicht einer Zellmembran zieht. Dabei ist der Notch in 3 große Abschnitte zu unterteilen, wie in Abbildung 1 zu sehen:

  • an der extrazellulären Domäne außerhalb der Membran erfolgt die Aktivierung des Rezeptors, sobald ein bestimmtes Zielprotein bzw. Ligand bindet (Bei dem Notch-Rezeptor handelt es sich dabei um Proteine, welche der sogenannten Delta- oder Jagged-Familie entstammen.)
  • diese Bindung führt zur Aktivierung eines physikalischen Zieh-Mechanismus und zur Freilegung einer Region innerhalb der Kerndomäne. Diese Kerndomäne ist jener Abschnitt, welcher die Membran durchzieht. Die nun freie Region ermöglicht es, dass Proteasen die intrazelluläre Domäne als Fragment abspalten kann
  • die intrazelluläre Domäne kann nach der Proteolyse als transkriptionaler Regulator agieren. Sie ist in der Lage, von der Membran innerhalb des Zellplasmas den Zellkern anzusteuern und dort bestimmte Zielgene zu aktivieren
Abb. 1: Wildtyp des Notch-Rezeptors mit einer extrazellulären Domäne, welche mit einem Liganden (Deltaprotein) an einer gegenüberliegenden Zelloberfläche bindet. Dies führt zur Freilegung einer Region („cleavage“) an welcher eine proteolytische Spaltung die Freisetzung der intrazellulären Domäne in Gang setzt [verändert nach Morsut et al., 2016].

Somit kann also ein Zielgen in Abhängigkeit vom Notch-Rezeptor aktiviert werden. Übrigens entspricht das Wort „Notch“ dem englischen Wort für „Kerbe“. Diese Bezeichnung geht auf Thomas Hunt Morgan zurück, welcher 1916 jenes Gen für den Rezeptor in der Fruchtfliege Drosophila melanogaster entdeckte. Er untersuchte dabei den Grund für eine bestimmte Mutation, die diese Organismen aufzeigten: Sie besaßen Kerben in ihren Flügeln. Dies ist schon ein erster Hinweis auf die Bedeutung des Notch-Rezeptors, denn dieser Signalweg spielt eine wichtige Rolle bei der Embryonalentwicklung für die Entwicklung vieler Zelltypen bzw. Gewebe von Säugetierzellen. Auch bei der Knochenbildung und der Zelldifferenzierung allgemein, auf welche im späteren Verlauf noch einmal genauer eingegangen werden soll, wird der Notch-Signalweg benötigt.

Aufgrund seiner Wichtigkeit ist der Notch-Rezeptor hoch konserviert und blieb von der Evolution quasi unberührt. Tatsächlich gibt es je nach Spezies nur bis zu maximal 4 verwandte Versionen des Rezeptors. Doch durch den relativ simplen Mechanismus des Notch und mit Hilfe der synthetische Biologie ergibt sich ein enormes Potential für neue Signalwege.

synNotch-Rezeptoren

Was den Notch-Rezeptor so interessant macht, ist die Möglichkeit ihn und somit auch seine Signalwege zu modulieren. So können sowohl die extrazellulären wie auch die intrazellulären Domänen des Rezeptors einfach durch alternative Domänen ausgetauscht werden. Diese synthetisch veränderten Notch-Rezeptoren, welche kurz als synNotch bezeichnet werden können, beinhalten ausschließlich noch die transmembrane Kerndomäne des nativen Notch. Anstatt das also ein Delta-Protein für die Aktvierung benötigt wird, kann nun eine alternative extrazelluläre Domäne ein beliebiges Zielmolekül bzw. einen Liganden binden. So können beispielsweise Antigene detektiert werden. Durch den Austausch der intrazellulären Domäne können gleichzeitig auch andere Transkriptionsfaktoren freigesetzt werden, welche wiederum die Aktivität andere Gene regulieren können. Hier finden wir auch die Antwort auf die Frage, was das alles nun eigentlich mit Orthogonalität zu tun hat: Durch die Möglichkeit verschiedenste synNotch-Rezeptoren zu erzeugen, können individuelle synNotch-Signalwege erzeugt werden, welche keine gemeinsamen Zwischenprodukte teilen und somit funktionell orthogonal zueinander sind. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, verschiedene synNotch-Wege in der gleichen Zelle zu beherbergen.

Eigenschaften der synNotch-Wege

Die gerade beschriebene Orthogonalität ist allerdings nur eine der interessanten Eigenschaften der synNotch-Wege, welche durch Morsut und Co. genauer aufgezeigt wurden.

Zu Beginn sei ein Blick auf die spezifische Aktivierung der Rezeptoren gerichtet. Diese werden bei Kontakt mit Senderzellen mit den entsprechenden Liganden aktiviert. Als Beispiel kann man sich einen synNotch-Rezeptor mit dem Antikörper für das B-Zellen Oberflächenantigen CD19 („Cluster of Differentiation 19“) vorstellen. Der Rezeptor zeigt solange keine Aktivität, bis es durch CD19-exprimierende Zellen angeregt wird. Diese Aktivität kann durch grüne Fluoreszenz gezeigt werden, ausgelöst durch die Freisetzung eines Aktivators (aus der intrazellulären Domäne) für die Expression eines GFP-Gens (grün-fluoreszierendes Protein). Andersherum kann ein auf diese Weise freigesetzter Repressor auch die Fluoreszenz in einer Zelle, welche ständig GFP exprimiert, herabsetzen. Eine Voraussetzung für die Bindung an den Rezeptor ist hierbei allerdings, dass sich die Liganden auf einer gegenüberliegenden Oberfläche zum synNotch befinden müssen. Liegen die Liganden löslich vor fehlt ihnen ein gewisse physikalische Kraft, die sie für die Bindung aufbringen müssen. Auch wenn sich der Ligand auf der gleichen Oberfläche wie der Rezeptor befindet (also cis) findet keine Aktivierung statt. Zusätzlich führt letzteres auch dazu, dass dann keine trans-liegenden Liganden mehr binden können (man spricht von der sogenannten „cis-Inhibition“). Somit kann es nur bei unmittelbarem Zell-Zell-Kontakt zu einer Aktivierung kommen.

Diese beiden Eigenschaften sind dahingehend nützlich, dass sie eine gezielte und räumlich kontrollierbare Änderung des Schicksals einer Zelle ermöglichen. Dieser Vorgang einer Transdifferenzierung, also der Umwandlung einer Zelle, kann durch jene Signalwege hervorgerufen werden. Beispielsweise kann wie im vorausgegangenen Beispiel ein Zelle mit einem CD19 als Liganden einen Anti-CD19-synNotch-Rezeptor aktivieren. Dieser synNotch kann sich auf einem Fibroblasten befinden. Durch seine Aktivierung kann MyoD, der wichtigste Transkriptionsfaktor für die Myogenese, exprimiert werden. Durch die so eintretende Myogenese können Fibroblasten, die Vorstufe vieler Bindegewebszellen, letztlich zu Myoblasten differenzieren, welche ihrerseits die Vorläuferzellen von Myotuben und folglich von Muskelfasern sind.

Abb. 2: Transdifferenzierung der Fibroblasten mit synNotch-Zellen, welche durch Bindung von CD19 letztlich MyoD exprimieren und so die Fibroblasten zu Myoblasten und deren ausdifferenzierten Produkten umwandelt.

Somit bietet sich eine relativ einfach umsetzbare Option das Verhalten von Zellen spezifisch anzupassen, was ein großes Ziel für Wissenschaftler im Bereich des Tissue Engineering ist. Umso bemerkenswerter ist es, dass sich diese synthetischen Rezeptoren neben den Fibroblasten in einer Vielzahl anderer Zellarten funktionsfähig einsetzen lassen, wie beispielsweise Nierenzellen, menschlichen Epithelzellen, T-Lymphozyten oder gar Neuronen.

Mit den bisher aufgezeigten Möglichkeiten lässt sich schon ansatzweise erahnen, wie sich die funktionelle Orthogonalität der synNotch-Signalwege in einer Zelle darstellen lässt. Wie in Abb. 3 (links) zu sehen, haben Morsut und Co. dafür zunächst einen nativen Notch- und einen synNotch-Rezeptor mit unterschiedlichen extra- und intrazellulären Domänen in der gleichen Zelle verwendet. Der native Notch hat wie gewohnt ein Deltaprotein gebunden, welches die intrazelluläre Freisetzung eines Transkriptionsfaktors (tTa) verursachte, welcher wiederum die Expression eines GFP zur Folge hatte. Parallel dazu reagierte der Anti-CD-19-synNotch auf eine Senderzelle mit CD19-Ligand, indem er einen anderen Transkriptionsfaktor freisetzte (Gal4-VP46). Dieser setzte die Expression von BFPs (blau-fluoreszierende Proteine) in Kraft. Dabei ließ sich beobachten, dass bei Zugabe der Zellen mit Delta-Proteinen nur grüne Fluoreszenz sichtbar wurde, bei jenen mit CD19-Liganden blaue Fluoreszenz und im Vorhandensein beider Liganden auch beide Rezeptoren reagierten. Eine basale Expression lag nicht vor, weshalb durch diesen Versuch der orthogonale Charakter dieser Signalwege erkannt wurde. Dass die Signalwege auch zwischen diversen synNotch unabhängig sind, wurde durch einen weiteren ähnlichen Versuch bestätigt, in welchem wie nach Abb. 3 (rechts) statt des nativen Notch ein weiterer synNotch in der Empfängerzelle vorlag. Dieser reagierte nun mit einem GFP als Ligand und exprimierte BFP, während der zweite synNotch CD19 gebunden hat und mCherry, ein rot fluoreszierendes Protein, exprimierte. Es können also multiple, voneinander unabhängige synNotch-Signalwege in derselben Zelle parallel ablaufen.

 

Abb. 3: Links: Wildtyp-Notch-Rezeptor und synNotch-Rezeptor aktivieren einen orthogonalen Signalweg über die Bindung des Delta bzw. CD19 und der Expression von GFP bzw. BFP. Rechts: 2 unterschiedliche synNotch-Rezeptoren aktivieren einen orthogonalen Signalweg über die Bindung von GFP bzw. CD19 und der Expression von BFP bzw. mCherry [verändert nach Morsut et al., 2016].

Dieser Umstand führte zu der Überlegung, ob damit auch Reaktionen hervorgerufen werden können, welche die kombinierte Aufnahme verschiedener Liganden voraussetzen. Genauer gesagt: Ist es möglich mit dieser Technik Zellen zu generieren, welche nur reagieren, wenn 2 verschiedenen Liganden (wie beispielsweise Umweltfaktoren) an den entsprechenden extrazellulären Rezeptordomänen binden? Kurz und knapp: Ja. In einem weiteren Versuch (s. Abb. 4) wurden Zellen generiert, welche wie schon im Vorversuch sowohl CD19 als auch GFP detektieren. Allerdings wurden die intrazellulären Domänen so verändert, dass jeder synNotch nur die Hälfte eines Transkriptionsfaktors freisetzt. So setzte der Anti-CD19-synNotch über tTA die Expression von Gal4 in Gang, während der Anti-GFP-synNotch VP64 aktivierte. Nur wenn beide Proteine vorhanden sind, kann das daraus entstehende Fusionsprotein (Gal4-VP46) vorliegen und als Transkriptionsfaktor die Expression eines nachgeschalteten Gens, wie im Versuch mCherry, ermöglichen. Da so der Output an eine Und-Bedingung (also an einen kombinierten Input) geknüpft ist, spricht man bei diesem Signalweg auch von einem Und-Gatter.

 

Abb. 4: Empfängerzelle mit einem dualen Und-Gatte-synNotch-System für die Detektion von CD19 und GFP, wobei nur die gemeinsame Aktivierung beider synNotch-Rezeptoren zur Expression von mCherry durch ein Fusionsprotein als Transkriptionsfaktor (VP64-Gal4) führt [Morsut et al., 2016].

Eine weitere und letzte Eigenschaft, welche durch die gewonnenen Erkenntnisse aufgezeigt werden konnte, ist die Herstellung ganzer Signalkaskaden von Zell-Zell-Interaktionen. Empfängerzellen, die 2 unterschiedliche synNotch-Rezeptoren in einer Zelle exprimieren, können in Serie wirken. Dabei induziert der 1. Rezeptor die Expression des Liganden für den 2. Rezeptor. So kann beispielsweise ein Anti-GFP-synNotch durch seine Aktivierung einen CD19-Liganden exprimieren. Besitzt nun eine Zelle auch den synNotch für die Detektion des CD19-Liganden, so wird dieser nicht von dem selbst erzeugten CD19 aktiviert, da sich der Ligand auf derselben Oberfläche wie der Rezeptor befindet. Das heißt, erst wenn sich eine identische Zelle mit gleichen synNotch in räumlicher Nähe befindet, kann das exprimiert CD19 an dem Rezeptor der gegenüberliegenden Zelle binden. Dieser Vorgang wird durch Abb. 5 veranschaulicht. Dadurch können also identische Zellen durch räumliche Abtrennung dynamisch unterschiedlichen Output und komplexe, mehrstufige Zell-Zell-Signalkaskaden erzeugen, vorausgesetzt sie verfügen über mehrere unterschiedliche synNotch-Rezeptoren.

Abb. 5: Identische Empfängerzellen können in unterschiedlichen Zellschichten unterschiedlichen Output generieren: Wird GFP einer Senderzelle gebunden, kann CD19 zwar exprimiert werden, jedoch kann der Ligand nicht den Anti-CD19-synNotch-Rezeptoran der gleichen Oberfläche aktivieren. Erst die Zellen einer 2. Schicht (räumliche Trennung) sind dazu in der Lage, exprimieren jedoch kein GFP mehr [Morsut et al., 2016].

Anwendungen

Aufgrund ihrer Eigenschaften ergibt sich mit den synNotch-Rezeptoren ein mächtiges Werkzeug in der synthetischen Biologie. Durch den anpassbaren Input und Output, und der damit einhergehenden großen Variabilität, bieten sich neue Kapazitäten bei der Analyse und Erzeugung benutzerdefinierter Detektier- und Reaktionswege. Das Studieren und Modulieren des Zellverhalten und deren Interaktionen, gerade im Hinblick auf ihren orthogonalen Ablauf, ist nicht zuletzt hilfreich für das Erlangen eines besseren Verständnisses komplexer Entwicklungsprozesse innerhalb von Organismen. Dazu gehören Krankheits- und Verletzungssignale sowie die Bereitstellung von Reparaturfunktionen.

Optimierung der CAR-T-Zell-Therapie

Eine solche Anwendung wäre die Erzeugung angepasster T-Zell-Reaktionen sowie allgemein die Synthese therapeutischer Zellen (Immunzellen), die auf die spezifische Detektion von Umweltfaktoren bzw. -stoffe reagieren sollen. So beispielsweise bei der Optimierung der sogenannten „Chimeric Antigen Receptor“- oder kurz CAR-T-Zell-Therapie. Hinter dem Begriff versteckt sich eine Art der Krebsimmuntherapie, bei welcher die Rezeptoren von T-Zellen eines Patienten im Labor verändert werden, sodass synthetisch angepasste antigenspezifische Rezeptoren entstehen, welche letztlich Tumorzellen detektieren können. Jedoch weist diese Methode Nebenwirkungen auf, u.a. durch die Freisetzung von Zytokinen. Diese sind zwar hilfreich für die Detektion der Tumorzellen in der Mikroumgebung, können jedoch toxisch auf das Gesamtsystem wirken.  Deshalb wurden NK92-Zellen (menschliche Killerzellen), welche mit synNotch-Rezeptoren ausgestattet wurden, untersucht, die wiederum selektiv IL12 (ein solches toxisch wirkendes Zytokin) an der Tumorstelle freizusetzen und die Antitumor-Aktivitäten von den modifizierten T-Zellen erhöhen. Es zeigte sich, dass der synNotch-Rezeptor besser in der Lage war, die Expression von Zytokinen zu kontrollieren. Und das geht so: Wie in Abb. 6 zusehen, können in vivo GPC3-Syn-IL12-NK92-Zellen, welche die IL12-Expression kontrollieren, durch in Tumorzellen exprimierte (GPC3-)Antigene aktiviert werden. Zytokine können die Antitumorfähigkeit der CAR-T-Zellen (welche ebenfalls an den gleichen Tumor-Antigenen binden) verbessern, indem sie die Fähigkeit der Infiltration von T-Zellen erhöhen, ohne toxisch für das gesamte System zu sein. Die lokale Expression von IL12 durch synNotch-angepassten NK92-Zellen könnte ein sicherer Ansatz sein, um das klinische Ergebnis der CAR-T-Zelltherapie zu verbessern.

Abb. 6: NK92-Zellen mit GPC3-synNotch-Rezeptoren, welche die Expression von IL12 als Reaktion auf das GPC3-Antigen auf Tumoroberflächen einleiten. IL12 verbessert die ebenfalls an den gleichen Antigenen bindenden CAR-T-Zellen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit gegen die Tumorzellen [Luo et al. 2019].

synNotch-basiertes Gen-Editing

Eine weitere Anwendung, welche Gegenstand neuster Forschungen ist, bezieht sich auf die Kombination der synNotch mit CRISPR/Cas9. Dieses synNotch-Cas9-System ist in der Lage, verschiedenste Gene kontrolliert zu editieren und zu aktivieren. Im Vergleich zu ähnlichen System, welche durch lösliche Liganden aktiviert werden, basiert das synNotch-Cas9-System bekanntlich auf oberflächengebundenen Liganden, was eine wesentlich präzisere da Zell-Zell-Kontakt kontrollierte Aktivierung ermöglicht. Des Weiteren hat das neue System den entscheidenden Vorteil der unzähligen Modellierungsmöglichkeiten: Basieren ähnliche Systeme (z.B. MESA, CRISPR ChaCha) nur auf natürlich vorkommende Liganden, was zu Störungen in den Signalwegen führt, können stattdessen Probleme mit der Orthogonalität beim synNotch-Cas9 nahezu ausgeschlossen werden. Dies macht das synNotch-Cas9-System zu einer vielversprechenden Strategie für das „Cell Engineering“ als Teil der Untersuchung der physiologischer und pathologischer Prozesse, der Kartierung von Zellinteraktionen während der Entwicklung sowie der Synthese therapeutischer Zellen zur Behandlung von Krankheiten.

Zusammenfassung

Der Notch-Rezeptor ist zwar von großer Wichtigkeit für die Entwicklung von Zellen, jedoch scheint es, als habe die Evolution einen Bogen um das tatsächliche Potenzial dieses biologischen Bauelementes gemacht. Die synNotch-Rezeptoren bieten sich aufgrund ihres relativ simplen anpassbaren In- und Outputs und der damit realisierbaren Orthogonalität als ein mächtiges Werkzeug in der synthetischen Biologie an. Da die individuellen synNotch keine gemeinsamen Zwischenprodukte besitzen, können multiple synNotch-Rezeptoren in der gleichen Zellen genutzt werden, um z.B. Effekte zu aktivieren, welche die Aufnahme mehrerer Liganden bedarf, oder ganze Signalkaskaden untereinander erzeugen. Die Anpassungsfähigkeit und räumliche Kontrollierbarkeit transkriptionaler Aktivierungen und Repressionen würden dieses System sehr nützlich u.a. für das Verständnis zellulärer Entwicklungsprozesse bis hin zur Erzeugung therapeutischer Zellen machen.    

Literaturverzeichnis

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