von Franka Eichler und Ann-Katrin Woiki
Der Stoffwechsel, auch Metabolismus genannt, regelt den Haushalt der Zelle. Er sorgt durch eine gesteuerte biochemische Umsetzung von Stoffen für die Aufrechterhaltung der Zellfunktionen. In Zellen dienen verschiedene Stoffwechselwege zum einem der Verfügbarkeit von Energie für energieaufwändige Prozesse wie Synthesen und zum anderen stellen sie Vorstufen für Zellbestandteile, die auch Metabolite genannt werden, zur Verfügung [Hiller, 2006].
Schon in der Vergangenheit wurden Mikroorganismen zur Herstellung verschiedenster organischer Verbindungen verwendet. Die Mikroorganismen wurden durch ungerichtete Mutationen genetisch modifiziert, um durch Selektion eine bessere Produktivität bestimmter Stoffe zu erhalten. Ein großes Problem war es, dass weder die Stoffwechselwege genügend analysiert noch gentechnische Methoden zur gezielten Modifikation bekannt waren. Die Expression eines Metaboliten wurde verändert, ohne zu wissen, wo dies zu Veränderungen im Stoffwechsel führt. Diese nicht-zielgerichteten Vorgehensweisen der Gentechnik waren sehr zeitaufwendig [Heinzle, 2006].
In den 1990er Jahren entstand die neue Technik des metabolischen Designs oder auch Engineering, die zielgerichtete genetische Veränderung von Mikroorganismen zum Erhalten gewünschter Stoffwechseleigenschaften. Ermöglicht wurde dies durch verbesserte Untersuchungsmethoden von Stoffwechselwegen sowie Techniken zur Gensequenzierung und –synthetisierung. Durch rationale Kombinationen von bekannten Synthesewegen werden neue Produktionssysteme erzeugt, die in der Natur nicht vorkommen. Genetische Informationen können gelesen und gezielt umgeschrieben werden, um chemische, medizinische und sonstige Stoffe herzustellen. In der synthetischen Biologie wird insbesondere in computergestützten Modellen getestet, ob die komplexen Produktionssysteme die gewünschten Stoffwechseleigenschaften aufweisen und wie man sie weiter verbessern kann [Heinzle, 2006; Smolke, 2010].
Die Reaktionen des Stoffwechsels auf genetische Modifikationen und die Identifikation der vielversprechendsten Angriffspunkte für das Design können mathematisch mithilfe von Netzwerkanalysen und Matrix-Berechnungen bestimmt werden. Stöchiometrie, Stoffwechselwegstopologie und Reaktionsraten können durch neue Methoden wie der metabolischen Fluxanalyse ermittelt und für Vorhersagen über die Auswirkungen auf die metabolischen Variablen verwendet werden. Die quantitative Charakterisierung von ganzen metabolischen Systemen ist sowohl durch Experimente als auch Computersimulationen eingeschränkt möglich [Hatzimanikatis & Wang, 2006; Cho et al, 2007].
Durch gezieltes metabolisches Design kann z.B. eine verbesserte Ethanol- oder Butanolproduktion in Mikroorganismen wie Clostridium acetobutylicum und Escherichia coli erreicht werden [Mann, 2012].
In der folgenden Abbildung 1 soll gezeigt werden, in welchen Stadien die gezielte Manipulation angewendet werden kann, um eine bessere Produktivität für das Endprodukt zu erhalten.
Angefangen beim Genom, das man direkt mit Genveränderungen modifizieren kann, über das Transkriptom, dessen Konzentration über Transkriptionsinhibierung verkleinert oder durch Aktivierung erhöht werden kann und über das Proteom, welches Katalyse, Regulation und Transport zur Aufgabe hat, bis hin zum Metabolom, das z.B. durch eine Rückkopplung regulierend wirkt oder im natürlichen Zustand das reaktionskinetische Gleichgewicht seine Bildung behindert, kann jedes Stadium und damit das Endprodukt verändert werden. Zudem spielen äußere Einflüsse eine große Rolle. Letztendlich ist es am wichtigsten, dass das Endprodukt am effizientesten und kostengünstigsten hergestellt werden kann und die gewünschten geänderten Eigenschaften hat, unabhängig vom tatsächlichen Angriffspunkt der Manipulation.
Artemisininsäureproduktion in genetisch modifizierten Mikroorganismen Ein sehr beliebtes Beispiel für das metabolische Design ist die neuartige Gewinnung von Artemisinin. Zunächst wurde der Wirkstoff gegen den Malaria-Erreger Plasmodium falciparum umständlich aus einjährigem Beifuß-Pflanzen gewonnen. Nun wird der Vorläufer Artemisininsäure, aus der sehr effizient und kostengünstig Artemisinin hergestellt werden kann, in modifizierten Mikroorganismen produziert. Zum einen in Escherichia coli und zum anderen in Saccharomyces cerevisiae. Die natürlichen Stoffwechselwege wurden hierbei mit Genen aus der Pflanze versehen und produzieren somit den wichtigen Stoff sehr effektiv aus Zuckern bzw. Acetyl-CoA [URL-1].
Metabolisches Design von Aktinomyzeten Ziel dieser Forschung ist es, bisher unbekannte Stoffe in Aktinomyzeten zu produzieren, um neuartige Antibiotika zu entwickeln. Aktinomyzeten sind eine Gruppe von Bakterien, deren Untersuchung bereits verschiedene antibiotische Stoffe und Antitumormittel hervorgebracht hat. Die Arbeitsgruppe konzentriert sich nun auf sogenannte „Schläfer“-Gene, die von dem Bakterium nicht genutzt werden. Man hofft, dass genau durch diese Proteine exprimiert werden, auf deren Grundlage neue Wirkstoffe entwickelt werden können. Um ruhende Gene in dem Bakterium zu aktivieren, werden künstliche Transposone in die Aktinomyzeten eingeschleust. Die synthetisch hergestellten Transposone schalten im Bakterium zufällig Gene an oder aus. Mit dieser Methode lassen sich entstandene Metaboliten und deren Funktionen den manipulierten Genen zuordnen [URL-2].
Biotreibstoffproduktion Aktuell wird sehr stark im Bereich neuartiger Treibstoffe geforscht. Gründe sind die Sorge um die Umwelt, die Erschöpfung der Reserven sowie steigende Preise. Diese sind bereits längere Zeit aktuell. Das metabolische Design eröffnet durch die maßgeschneiderte Produktion jedoch neue Möglichkeiten. Als Ausgangsstoffe können Abfälle verwendet werden, die Eigenschaften der Produkte werden angepasst und der produzierende Mikroorganismus wird optimiert. Zur Verbesserung der n-Butanol-Produktion in E. coli wurden z.B. die im natürlichen Organismus um Acetyl-CoA und NADH konkurrierenden Stoffwechselwege ausgeschaltet. Die Eigenschaften von n-Butanol sind denen von regulärem Benzin sehr ähnlich, wodurch es diesem leicht zugesetzt werden kann oder es ersetzen könnte. Ausgangsstoff zur Produktion ist Glucose, die u.a. auch in Bioabfällen enthalten ist. Der n-Butanol-Syntheseweg stammt aus dem Bakterium Clostridium acetobutylicum. Aus Mangel an effizienten gentechnischen Methoden zur Verbesserung der Stoffwechselwege in dem ursprünglichen Organismus wurden die beteiligten Gene aus C. acetobutylicum in E. coli einkloniert. Eine weitere Verbesserung der Produktivität kann durch den Austausch von einzelnen Enzymen erreicht werden. Mit der Acetyl-CoA-Acetyltransferase aus E. coli konnte z.B. eine erhöhte Produktion gegenüber der ursprünglichen Thiolase aus C. acetobutylicum gezeigt werden. Um die Konkurrenz um das Acetyl-CoA zu verringern wurde der Syntheseweg von diesem hin zum Ethanol entfernt. Ebenso wurden weitere Konkurrenzpfade durch Deletion von vier Enzymen ausgeschaltet, wodurch die Mengen an Acetat, Lactat und Succinat gesenkt wurden. Anstatt 14mg/l konnten so 1,2g/l produziert werden und je Gramm Glucose 6,1 g Butanol. In der Abbildung 2 ist der n-Butanol-Syntheseweg in E. coli zu sehen; mit allen Enzymen, die aus dem Bakterium C. acetobutylicum stammen und einigen deletierten [Dellomonaco et al, 2010; Atsumi & Liao, 2008].
Das metabolische Design wird weiterhin sehr wichtig für Entdeckung, Charakterisierung und Engineering neuer metabolischer Wege und effizienterer Produktionssysteme sein. Hierbei werden Bioinformatik und Mathematik neben den molekularbiologischen Methoden eine immer größere Rolle spielen.2,9